Neuer KZfSS-Artikel: “Wie offen sind ‘offene’ Online-Gemeinschaften? Inklusion, Exklusion und die Ambivalenz von Schließungen”

“Wie offen sind ‘offene’ Online-Gemeinschaften?” fragen meine Schwester Laura und ich in unserem kürzlich in der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie veröffentlichten Artikel. Selbst kommerzielle Plattformen wie Facebook, Twitter oder YouTube sind, verglichen mit traditionellen Medien, offen, weil sie Filterlogiken traditioneller Medien zumindest partiell umkehren. Sie ermöglichen verschiedenen Formen von Gemeinschaftsbildung. Manche dieser Gemeinschaften setzen bewusst auf Exklusivität (z.B. geschlossene FB-Gruppen), andere setzen auf mehr oder weniger stark offenheitsorientierte Zugangsregeln, verschreiben sich also einer Offenheitsprogrammatik (z.B. im Kontext von Open Source, Open Strategy oder Open Data).

Offenheitsprogrammatik verspricht Vorteile dank größerer Offenheit, z.B. mehr “Eyeballs” bei Suche nach Softwarefehlern, mehr Ideen und Wissen in Innovationsprozessen, mehr Transparenz und Verantwortlichkeit bei staatlichem Handeln. Aber: gerade das Banner von Offenheit führt dazu, dass Ausschlüsse trotz (oder sogar wegen) Offenheitsprogrammatik kaum Thema sind. Am meisten noch bei Open Government (z.B. Kornberger et al., 2017) oder im Fall der Wikipedia (z.B. Dobusch et al., 2019), die mit gewissen Repräsentativitäts- bzw. Neutralitätslogiken einhergehen.

Um Schließungen im Kontext von als offen markierten Online-Communities zu untersuchen, nehmen wir konkrete Inklusions- und Exklusionsweisen in den Blick und identifizieren drei Typen von Offenheit-Geschlossenheit-Konfigurationen, die wir jeweils mit Beispielen illustrieren.

  1. Schließung wegen Öffnung: Historisch z.B. hat das seit 1766 (!) in Schweden geltende “Offentlichetsprincipen” zu mündlicher Entscheidungskultur mit minimaler Schriftlichkeit geführt. (“Jedes Schriftl ein Giftl”). Ähnlich auch in aktuellen OpenData-Cases.
  2. Schließung trotz Öffnung: Trotz niedrigschwelliger Inklusionsmodi (“anyone can edit”) kämpft z.B. Wikipedia mit einem anhaltenden Mangel an Diversität unter den Beitragenden, der auch Folgen für Inhalte der Online-Enzyklopädie hat.
  3. Öffnung durch Schließung: Offenheitsideale – wie z.B. Themenzentriertheit – gerade durch rigiden Ausschluss bestimmter Inhalte und Kommunikationsverhalten zu verfolgen, illustriert am Beispiel des Reddit-Forums r/relationships.

Im Ergebnis betonen wir die Ambivalenz von Schließungen gerade im Kontext von Gemeinschaften mit Offenheitsprogrammatik: Schließungen können dazu dienen, Offenheitsideale (un)bewusst zu unterlaufen ebenso wie diese zu ermöglichen. Daraus folgt eine Abkehr von der Annahme einer generalisierbaren Offenheit an sich, hin zu spezifischer Offenheit, die mit bestimmten Schließungen einhergeht oder auf diese sogar angewiesen ist.

Der Beitrag erscheint im KZfSS-Sonderheft “Internet, Big Data und digitale Plattformen: Politische Ökonomie – Kommunikation – Regulierung”, herausgegebenen und mit einer Einleitung von Ulrich Dolata und Jan-Felix Schrape.

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