Die Verfinsterung des digitalen Traums: Shoshana Zuboffs Analyse des “Überwachungskapitalismus”

Bei diesem Text handelt es sich um die deutsche Fassung einer Rezension, die in gekürzter Form und auf Englisch im Journal Organization zur Veröffentlichung angenommen ist erschienen ist. Von Richard Weiskopf.

Erinnern Sie sich an den Skandal, um den Ge- und Missbrauch von Facebook-Profilen durch die Firma Cambridge Analytica? Oder daran, wie vor allem um 2016 herum Horden von Menschen, meist junge, umherzogen, begeistert und wie ferngesteuert auf der Jagd nach dem „Pokèmon“? Waren auch Sie überrascht zu hören, dass die (österreichische) Post mit den Daten ihrer Kund_innen einen regen Handel betreibt? Waren Sie auch schon erstaunt darüber, wie genau Amazon über Ihre Wünsche Bescheid weiß? Waren auch Sie schon in Versuchung, den smarten Kühlschrank über die Einkaufsliste entscheiden zu lassen oder das Smartphone über den idealen Heimweg? Erscheinen Ihnen solche Phänomene zuweilen als unheimlich oder gar bedrohlich?

Shoshana Zuboff, ihres Zeichens emeritierte Professorin für Business Administration in Harvard, ist in ihrem neuen Buch dieser Erfahrung nachgegangen und sie fragt nach den Kräften, die sie hervorbringen. Das Buch ist eine Fortsetzung von Work in the Age of the Smart Machine, ihrem grundlegenden Werk aus dem Jahr 1988. Hier studierte sie Veränderungen, die sich in der Arbeitswelt durch die Automatisierung und Informatisierung abzeichnen. Als eine der ersten Autor_innen erkannte sie schon damals das panoptische Potenzial der modernen Informationstechnologie. Seither sind mehr als drei Jahrzehnte vergangen. Es wurde nicht nur das Internet erfunden (und zunehmend als Geschäftsfeld erschlossen); auch die Möglichkeiten und Potentiale der Erfassung, Speicherung und Verarbeitung von Daten haben sich exponentiell erweitert. „Big Data“ verspricht nichts weniger als eine „Revolution“, die „die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und denken“ fundamental transformiert (Mayer-Schönberger & Cukier, 2013). Während optimistische Szenarien die großartigen Möglichkeiten von „data-rich markets“ hervorheben (Mayer-Schönberger & Ramge, 2018), warnen Kritiker_innen vor den Gefahren, die mit der „Datafizierung“ einhergehen. Mit den neuen digitalen Möglichkeiten ist die Überwachung vielfältig und „flüchtig“ geworden (Bauman & Lyon, 2013), sie dringt in alle Bereiche des Alltags vor und prägt die „surveillance culture(s)“ (Lyon, 2018; Harding, 2018) der Gegenwart.

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Save the date for the OS ConJunction Day 2019

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Picture: Andreas Lischka on Pixabay

This year’s OS ConJunction Community day with the topic „Creativity and Organizing“ will take place in Innsbruck on Friday, November 29 from 3:00 p.m.

Information about the exact location and the program will follow soon. As always, we are looking forward to spend a good time with the Organization Studies Innsbruck community, with interesting talks, discussions and, of course, the after party.

Please save the date, we are looking forward to seeing you!

SWR2 Forum zum Thema »Ist Wikipedia noch zu trauen?«

Gemeinsam u.a. mit Kollegen Christian Stegbauer (Uni Frankfurt) durfte ich in der Reihe SWR2 Forum eine knappe Stunde lang zum Thema “Veraltet, manipulativ, fehlerhaft – Ist Wikipedia noch zu trauen?” (MP3-Download, ca. 40 MB) diskutieren. Die Teilnehmenden wurden dazu virtuell aus Frankfurt, Berlin und Mainz (wo ich zum Zeitpunkt der Aufzeichnung war), zusammengeschaltet. Aus der Ankündigung:

Seit Jahren gehört sie zu den zehn beliebtesten Websites der Deutschen. Jede und jeder nutzt sie, Schüler und Studenten kommen ohne sie nicht mehr aus, dabei lassen die meisten Einträge wissenschaftliche Standards vermissen, weil sie ehrenamtlich von Laien verfasst sind. […] Doch seit geraumer Zeit mehren sich Zweifel an den Inhalten des unbezahlten Mitmachlexikons: Immer häufiger sind Artikel veraltet. Die Zahl der Autoren hat sich binnen zehn Jahren halbiert. Was ist da los?

Zumindest die Frage im Titel, ob der Wikipedia “noch zu trauen” ist, hat mich dabei schmunzeln lassen. Denn das zeigt, wie sehr sich das Bild der freien Enzyklopädie gewandelt hat. In den ersten Jahren war die Frage nämlich, ob einem derartigen Freiwilligenprojekt überhaupt zu trauen ist. Meine Antwort ist denn auch, dass Wikipedia-Inhalte heute wie damals exemplarisch dafür sind, dass Wissen immer ausgehandelt, vorläufig und potentiell falsch sein kann, die Wikipedia diese Eigenschaften von Wissen aber sehr explizit und nachvollziehbar macht.

Wikipedia-Forschung in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

Artikel über Wikipedia am Cover und auf S. 17 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 17. Februar 2019

Das Thema sinkender oder stagnierender AutorInnenzahlen in der Wikipedia beschäftigt die gemeinnützige Wikimedia Foundation genauso wie die Wikipedia-Forschung: was sind die Ursachen für die seit zehn Jahren stagnierende Zahl an Beitragenden? Wie kann der trotzdem kontinuierlich wachsende Artikelbestand dennoch aktuell gehalten werden? Und welche Möglichkeiten gibt es, für mehr Diversität unter den Freiwilligen zu sorgen? Continue reading “Wikipedia-Forschung in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”

Call for Papers: »Organizing Creativity in the Innovation Journey«

Organizing Creativity in the Innovation Journey
INTERNATIONAL CONFERENCE, JULY 11-12, 2019,
Freie Universität Berlin, Germany

Demands for creativity today range well beyond typically “creative” and cultural industries to most sectors of the economy and, as some would argue, even society at large. Seen as the basis for innovating new products, processes or services, creativity is no longer considered as an individual personality trait but as a subject of intentional organizing. Such organizing efforts not only occur within formal organizations like firms, schools, universities or (non-)governmental organizations, but increasingly cross organizational boundaries to include inter­organizational networks as well as clusters, communities and crowds. Regardless of the context in question, central challenges for organizing creativity revolve around the following themes: When and in what ways do slack or constraints foster creativity? How do organizations allow for and even foster moments of serendipity, even in highly-structured innovation processes? Does the uncertainty that characterizes creative processes hinder or stimulate creativity? What is the role of rules and regulations in reducing or inducing different kinds of uncertainty? What are the social dynamics unfolding in physical and virtual spaces for creative collaboration?

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Innsbrucker Organisationsforschung bei WKOrg in Münster

Foto: Janis Floer (CC BY 4.0)

Zum vorläufig letzten Mal hatte die Wissenschaftliche Kommission Organisationsforschung (WKOrg) im Verband der Hochschullehrer für BWL (VHB) im Februar zu einem eigenen Workshop nach Münster geladen. Im nächsten Jahr wird der Workshop Teil einer neugestalteten VHB-Jahrestagung sein. In Münster jedenfalls war die Innsbrucker Organisationsforschung stark vertreten. Nicht nur durfte ich als aktueller Nachwuchsbeauftragter der WKOrg den Nachwuchsworkshop gestalten, mit folgenden Beiträgen waren wir im Hauptprogramm vertreten:

  • Arnold, N., & Soppe, B.: The waltz of the flowers: How material devices buttress the formation of organizational fields
  • Dobusch, L., & Heimstädt, M.: Predatory Publishing in Management Research: A Call For Open Peer Review
  • Leybold, M.: A Communication Perspective on Organizing Openness: Analyzing the Case of the Medicines Patent Pool in the Field of the Pharmaceutical Industry
  • Weiskopf, R.: Algorithmic decision-making and the “spectogenic” process of profiling.