
Am 6. November 2025 fand in Berlin zum ersten Mal der #DigitalDemocracyDay2025 statt. Ich durfte mit einem kurzen Online-Impuls zum Thema “Von Wikipedia für Digitale Demokratie lernen” mit dabei sein (Slides). Bereits vorab hat Bernhard Seiler für SWR Aktuell Radio mit mir zum Thema gesprochen – das Interview findet sich hier zum Nachhören:
Die Aufzeichnung des Livestreams der Veranstaltung ist bereits online, mein Beitrag beginnt ungefähr bei 1h40 Minuten:
Im Folgenden meine Vortragsnotizen für all jene, die lieber lesen als schauen:
Demokratie ist und war immer schon mehr als Wahlen. Demokratie ist immer auch demokratischer Diskurs, demokratische Öffentlichkeit, in der demokratische Meinungsbildung im zivilisierte Austausch miteinander.
Wie wichtig demokratischer Diskurs, Öffentlichkeit, und Meinungsbildung sind, wird uns derzeit vor allem dadurch vor Augen geführt, dass die dominanten Digitalplattformen genau daran scheitern. Stattdessen beobachten wir über diese Plattformen hinweg, dass sie Polarisierung, Echokammern, Desinformation und Radikalisierung fördern und letztlich, im doppelten Sinne, käuflich sind.
Der Grund für diese Situation ist ein Phänomen, dass Cory Doctorow treffend als „Enshittification“ beschrieben hat und damit zu tun hat, dass alle diese Plattformen proprietär, zentralistisch, datenkapitalistisch und werbefinanziert sind.
Wichtigste Wissensressource der Welt
Soweit, so schlecht. Trotzdem ist der Kampf um digitale Demokratie nicht verloren. Und das liegt an einem Projekt, das trotz seiner enormen, globalen Relevanz, nicht einmal ansatzweise jene Anerkennung und Aufmerksamkeit wie die genannten kommerziellen Plattformen erfährt: die Wikipedia.
Wir leben ziemlich sicher nicht in der besten aller Welten, aber Wikipedia ist der Beweis, dass wir auch nicht in der schlechtesten aller Welten leben.
Die wichtigste, globale Wissensressource unserer Zeit ist die Wikipedia. Und sie ist nicht nur in über 300 Sprachversionen verfügbar, sie ist werbefrei, läuft auf freier Software, nutzt offene Standards und freie Lizenzen. Und sie ist ganz maßgeblich für das Funktionieren von Suchmaschinen und KI.
Digital-demokratischer Wikipedia-Dreiklang
Schon die bloße Existenz und Qualität von Wikipedia an sich ist also ein unschätzbarer Beitrag zu digitaler Demokratie. Drei Gründe für die Qualität und Nachhaltigkeit von Wikipedia scheinen mir aber besonders geeignet, als Leitlinien zur Stärkung demokratischer Online-Öffentlichkeit ganz allgemein beizutragen:
- Produktion von Wikipedia-Wissen ist eine demokratische, antifaschistische Praxis, die radikale Transparenz mit Pseudonymität und Dezentralität kombiniert.
- Wikipedia ist ein Commons. Ihr Wissen gehört niemanden und genau deshalb uns allen. Das gilt auch für Demokratie: sie darf nicht käuflich sein, ökonomische und politische Macht dürfen nicht zusammenfallen.
- Wikipedia zwingt zum Kompromiss, ihr Wissen ist – so wie Demokratie – kein Endzustand, sondern immer vorläufig, nie sicher und muss immer wieder von neuem gemeinschaftlich errungen werden.
Zur Stärkung digital-demokratischer Öffentlichkeit gilt es genau diese Prinzipien auch auf Gestaltung und Governance von anderen Online-Plattformen umzulegen – und zum Beispiel gemeinsam an dezentralen, nicht käuflichen Social-Media-Alternativen des Fediverse mitzubauen.